Versager mit Stil - Lee-Ann Bell

»Versager mit Stil« ist ein tiefgründiger und gesellschaftskritischer Roman, der mich in vielerlei Hinsicht fasziniert hat!
Thema
»Versager mit Stil« ist gefüllt mit Gesellschaftskritik und der Ablehnung fremder Ideale: Mit einer kritischen Sichtweise rund um Badboys, Geschlechterrollen, Lebensführung und Realitätsflucht. Wie ergeht es jungen Menschen, die sich in der Schwebe zwischen der Einfachheit der Kindertage und den Verpflichtungen des Erwachsenwerdens befinden? Und vor allem: Was ist der beste Weg, in Schwierigkeiten zu sein? Diesen Fragen müssen sich die Figuren aus Lee-Ann Bells Debütroman stellen.
Inhalt:
Der 20-jährige Philosophie-Student Vincent Menger ist ein idealistischer Besserwisser, stiftet gerne Chaos und hält das System für grundsätzlich falsch. Seine Freundin Nina allerdings empfindet ihr Leben als zu unaufregend. Um das zu ändern, soll Vincent sich für eine Woche in einen ,,Badboy" verwandeln! Aber was sind Badboys in ihrer Roman-Definition überhaupt? - Sie sind Aufreißer, Machos, zeigen gerne Dominanz und handeln teilweise fast schon kriminell. Aber ist es wirklich heiß, kalt zu sein?
Lob
Wenn ich »Versager mit Stil« mit drei Worten beschreiben müsste, würde ich mich vermutlich für tiefgründig, gesellschaftskritisch und lebensnah entscheiden. Die vielen philosophischen Einflüsse und abstrakten Gedanken im Buch, haben mich sehr fasziniert. Zum Beispiel: ,,Vielleicht waren Lederjacken das neuzeitliche Äquivalent zum Bärenfell über den Schultern eines potenziell-potenten Jägers in urzeitlichen Partnerwahl-Szenarien und es war ein evolutionärer Instinkt sie attraktiv zu finden" oder ,,Make-up ist auch irgendwie nur Kriegsbemalung." Dass sich endlich mal jemand das Badboy-Klischee vornimmt und kritisch auseinander nimmt, war überfällig, und ist in diesem Fall definitiv sehr gut gelungen! Schmunzeln musste ich bei Vincents Badboy-Checkliste, eine Art 7-Tages-Plan für seine Verwandlung zum Badboy. Also: Wer mal ein waschechter Badboy werden will, der weiß, wo sich die perfekte Anleitung befindet! Lee-Ann Bell hat einen sehr flüssigen Schreibstil und einen breiten Wortschatz, wodurch die Seiten beim Lesen nur so dahinfliegen. Auch der abrupte Einstieg erleichtert es dem Leser, direkt in die Geschichte gezogen zu werden. Sowohl die Haupt- als auch die Nebencharaktere werden ungeschönt mit all ihren Ecken und Kanten dargestellt. Die Figurengestaltung hat mir sehr imponiert und zum Realitätsgehalt des Buches beigetragen. Als Leser erhält man auch von Nebencharakteren wie Benjamin, Katharina, Aiden, Pia, Leonie oder John ein umfassendes Bild und lernt sie im Laufe der Handlung lieben oder gar hassen. Auch das Ende der Geschichte hat meiner Meinung nach sehr gut zum Rest des Buches gepasst. »Versager mit Stil« ist ein New Adult Roman, der zum Nachdenken anregt und voller philosophischer Schätze ist. Das ist aber auch kein Wunder, da sowohl Protagonist als auch Autorin Philosoph(in) ist - mit diesem kleinen, aber feinen Hintergrundwissen macht »Versager mit Stil« noch mehr Spaß. Zusammengefasst ist dieses Buch definitiv einen Reread wert und ich kann ihn euch allen ans Herz legen! Lobend zu erwähnen seien auch noch die wunderschöne Widmung und die kreativen-ansprechenden Kapitelnamen, die jeweils perfekt zum Inhalt des nachfolgenden Abschnitts gepasst haben.
Lieblingsfigur:
Meine Lieblingsfigur - und das kommt jetzt vielleicht etwas überraschend, weil er insgesamt nicht viel vorkommt - ist Jonas. Der Junge, der zu Vincents Lieblingsmenschen gehörte und dessen Geschichte bis fast zum Ende des Buches ein spannendes Mysterium bleibt. Ich glaube, meine Zuneigung zu ihm gründet hauptsächlich in der Tatsache, dass er mich stark an eine meiner fiktiven Lieblingsfiguren erinnert, nämlich Dallas aus ,,Die Outsider". Jonas ist ,,ein bisschen zu echt für eine falsche Welt" und betrachtet das Leben als einen ,,großen, grausamen, langen Witz", weil es anders nicht zu ertragen sei. Irgendwie hat er etwas Faszinierendes an sich, und ich musste ihn einfach in mein Herz schließen. Anti-Alles wie immer! Anti-Alles für immer.
Kritik:
Kommen wir nun zu den Kritikpunkten: Leider habe ich eine ganze Weile gebraucht, um mit den Hauptcharakteren Vincent und Nina richtig warm zu werden. Dadurch konnte ich erst nach einigen Seiten gänzlich in der Geschichte eintauchen und sie voll und ganz genießen. Richtig Klick gemacht hat es bei mir erst ab dem Spannungspik nach circa Seite 60. Meiner Ansicht nach kamen die Geschehnisse erst hier richtig ins Rollen und der Roman nahm deutlich Fahrt an. Alles in allem kann ich bei »Versager mit Stil« aber nicht viel meckern. Am meisten hat mich wohl der Spannungsaufbau gestört. Natürlich ist es klar, dass ein New-Adult-Roman nicht den Spanungsgehalt eines nervenkitzelnden Thrillers hat, dennoch hätte an der ein oder anderen Stille eine kleine Prise Spannung nicht geschadet. Es ist nicht unbedingt ein Verbrechen oder ein Mord notwendig, um Spannung zu erzeugen, das ist auch bei Alltagsszenen und aus dem wahren Leben gegriffenen Geschichten möglich. Sinnvoll ist es in jedem Fall, da es dem Leser das Mitfühlen und Mitfiebern mit den Figuren erleichtert. Natürlich wurde der Spannungsaufbau an einigen Stellen in »Versager mit Stil« auch gut umgesetzt, insgesamt hat es mir in diesem Punkt aber dennoch an Intensität gefehlt.
Fazit: »Versager mit Stil« von Lee-Ann Bell, erschienen im Wreaders Verlag, ist ein tiefgründiger New-Adult-Roman, der zum Nachdenken einlädt. Ich vergebe 4,5 von 5☆ und bedanke mich herzlichst für das Rezensionsexemplar!