Guck mal, die Asis - Wendy Nikolaizik

18.10.2023

Wendy Nikolaizik ist mit »Guck mal, die Asis« eine authentische Geschichte über Punks und das Erwachsenwerden gelungen, die sich Vorurteilen entgegenstellt, die Schattenseiten des Lebens beleuchtet und Werte wie Liebe, Familie und Freundschaft neu definiert.

Inhalt: ,,Du hast ein gutes Herz, Debby. Lass nicht zu, dass die Welt da draußen dich kaputt macht." Zwischen Glasscherben und Zigarettenstummeln lernt Debby den Punk Farin kennen. Mit seinem unkonventionellen Kleidungsstil und seinem Hang zum Drogenkonsum wird er in der Schule und von der Gesellschaft als gefährlicher Außenseiter abgestempelt. Dieser Meinung ist auch Debbys Freund Thomas. Obwohl er seiner Freundin den Kontakt mit Farin verbietet, lässt Debby sich auf den Punk ein und erkennt schnell, dass in diesem so viel mehr steckt als nur ein kiffender Verlierer.

Lob:

»Guck mal, die Asis« baut Vorurteile gegenüber der Punkkultur ab. Aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes und ihrer sofortigen Assoziation mit Drogen und Gewalt werden Punks weitgehend als kriminell, gefährlich und verdorben angesehen. Kurz gesagt stellen sie der allgemeinen gesellschaftlichen Ansicht nach nicht den richtigen Umgang für ein junges Mädchen wie Debby dar. Dieser Meinung sind auch ihr Freund Thomas, ihre beiden besten Freundinnen Bella und Clari sowie ihre Eltern. Im Grunde ist nur Debbys Oma auf ihrer Seite – übrigens ist diese eine meiner Lieblingsfiguren aus dem Buch –, ansonsten steht sie in diesem Punkt ganz alleine da. Doch wer gibt einem Menschen des Recht, einen anderen Menschen einfach so zu verurteilen? Vor allem, wenn man diesen gar nicht wirklich kennt? Ist es richtig, sich nur von Vorurteilen und der Masse leiten zu lassen? Hat nicht jeder Mensch eine Chance verdient? Der Leser lernt schnell, dass die befreundeten Punks Farin, Hadrian und Lasko alles andere als schlechte Menschen sind. Thomas dagegen fällt in »Guck mal, die Asis« von Anfang an negativ auf. An dieser Stelle möchte ich ein großes Kompliment an die Autoren für die Charakterkonzeption von Thomas aussprechen. Selten habe ich einen so glaubwürdig und realistisch geschriebenen Menschentyp wie diesen in einem Buch verfolgen können. Natürlich bleibt die Sympathie ihm gegenüber aus – ehrlich gesagt fand ich ihn ziemlich unerträglich, an manchen Stellen sogar einfach nur erbärmlich. Dabei war er in seinen Wesenszügen und in seinen Beziehungen zu den anderen Figuren aber so gut geschrieben, dass ich Szenen mit ihm trotz allem entgegengefiebert habe. Seiner Freundin gegenüber verhält Thomas sich bevormundend und übergriffig, er möchte ihr ein Kontaktverbot in Bezug auf Farin aufdrängen und sie im späteren Verlauf des Buches auch zu sexuellen Handlungen drängen. Im Grunde verhält er sich aber nicht anders als ein schwaches, bockiges Kleinkind. Zum Beispiel fängt er aus Frust mit dem Rauchen an, weil ,,Debby jetzt ja auf die bösen Jungs steht" und lässt keine Möglichkeit aus, Farin verbal oder körperlich zu attackieren. ,,Mit einem Mal fühlte es sich an, als sei er weit entfernt", denkt Debby schon relativ zu Beginn des Buches. Es hat mir sehr gut gefallen, wie die Entwicklung der Beziehung von Thomas und Debby im Buch dargestellt wurde. Durchweg blieben die Figuren authentisch. Auch dieses quälend langsame Zerbrechen der Partnerschaft, obwohl die Gefühle schon längst abgekühlt sind, hatte eine sehr realistische Wirkung auf mich. Debby versucht eine Weile sogar, Farin wegen ihrem Freund zu ignorieren, weil sie Angst davor hat, dass mit dem Beziehungsende mit Thomas ihre heile Welt endgültig aus den Fugen gerissen wird. Es dauert eine Weile, bis sie erkennt, dass sie das Chaos, das Farin in ihr Leben gebracht hat, lieben gelernt hat. Die Punks sind für Debby da und zwischen den vieren entwickelt sich eine richtige Freundschaft. Ich fand es immer total lustig, wie sie ständig gefragt haben, ob sie Thomas nicht doch verprügeln sollen. Während Debby in Farin, Hadrian und Lasko also neue Freunde gewinnt, entfremdet sie sich immer mehr von ihren beiden besten Freundinnen. Teils, weil auch sie Debbys Kontakt mit den Punks nicht gutheißen, teils, weil Debby erkennt, dass es im Leben um so viel mehr geht als nur Jungs, Partys, Schauspieler und Klamotten. Debby möchte etwas erleben, in der Wirklichkeit ankommen. ,,Du hast mich gefragt, ob ich nie verrückte Dinge in meinem Leben tu. Aber eigentlich habe ich das immer getan. Es ist verdammt verrückt, mein Leben mit Nichtigkeiten zu füllen, die mich nie glücklich gemacht haben und mit Menschen, die kein Verständnis für mich haben." Doch das ändert sich nun, dank Farin. ,,[M]it Farin spürte sie das Leben." Lange vor Debby ahnen die Leser, dass aus der wunderschönen Freundschaft zwischen den beiden Protagonisten mehr werden könnte. Nach Sonnenuntergängen auf dem Dach, Konzerten und anderen Unternehmungen hat Debby endlich das Gefühl, viel reflektierter, viel tiefgehender zu leben und dass sich ihre komplette Weltsicht auf den Kopf gestellt hat. »Guck mal, die Asis« beschreibt demnach zu einem großen Teil, was es bedeutet, erwachsen zu werden, und zeigt auf, was das Leben eigentlich ausmacht. Dass man Spaß haben und seinem Herzen folgen soll, und nicht immer nur der Meinung anderer. Allein für diese Botschaft liebe ich das Buch. Farins leichtlebige, aber dennoch reife Art berührt Debby und sie lernt, was echte Freundschaft wirklich bedeutet und das Familie nicht allein auf Blutsverwandtschaft beruht. Realismus ist in diesem Werk großgeschrieben: Da wären die altbekannten Schulszenen, die jugendlich fehlerhaften Textnachrichten, ein realistischer Umgang mit Drogen und eine gewöhnliche Familienkonstellation. Ein Highlight waren für mich übrigens Farins pinke Socken. Zwar sind diese vollkommen irrelevant für die Geschichte, sorgen aber dennoch für eine lebhaftere Figurengestaltung und bleiben im Gedächtnis. Für mich war es zudem sehr spannend, einen Einblick in die Punkkultur zu erlangen, mit der ich mich zugegebenermaßen bisher nicht sonderlich auseinandergesetzt hatte. An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Ausschnitt aus »Guck mal, die Asis« einfügen, der nicht nur toll geschrieben ist, sondern auch die Aussage des Buches über die Punkkultur treffend beschreibt. ,,(…) Texte über Politik und die Gesellschaft. Über Missstände und Lösungswege. Über Probleme, zu denen es keine Antwort gab, und eine Welt, die das Potential hatte, so anders zu sein. In den rauen Stimmen der Sänger steckte so viel Leidenschaft und Wut, wenn sie von den Ungerechtigkeiten auf der Welt sangen. So viel Energie, die sie dafür einsetzten, etwas zu ändern."

Der spannendste Aspekt des Buches war es in meinen Augen, herauszufinden, was in Farins Vergangenheit vorgefallen ist und ihn letztlich auf die schiefe Bahn gebracht hat. ,,Weil er sich selbst zugrunde richtete mit seinem Kettenrauchen, seinem exzessiven Trinken, seinem Drogenkonsum, um nur für einen Moment den düsteren Gedanken zu entkommen. Seine Fröhlichkeit und die verrückten Dinge, die er tat, schienen nur eine Fassade zu sein, eine Flucht vor der Realität." Als der Leser schließlich erfährt, was Farin durchmachen musste, war das ein sehr intensiver und schwerer Moment. Am bewegendsten war für mich übrigens die letzte gemeinsame Szene zwischen Noah und Farin, auf die ich aus Spoilergründen jedoch nicht näher eingehen möchte. Aber auch das Ende war sehr rührend geschrieben. Generell hat mir Wendy Nikolaiziks Schreibstil und ihre Erzählweise an sehr gut gefallen, weshalb die Seiten nur so dahingeflogen sind.

Kritikpunkte:

Wie an der Sternebewertung zu erkennen ist, habe ich bei »Guck mal, die Asis« quasi nichts zu bemängeln. Das Einzige, was mir aufgefallen ist, waren die teilweise repetitiven Strukturen im Buch, z.B., dass Farin und Debby sich ein paar Mal nacheinander zufällig getroffen haben oder dass einige Gesprächsthemen häufiger aufgetreten sind. Da sich dies allerdings noch im moderaten Rahmen gehalten hat und keinen störenden Effekt auf mich hatte, möchte ich dafür keinem Punkt abziehen. Insgesamt kann ich noch sagen, dass ich gerne mehr über Farins beste Freunde Hadrian und Lasko gelesen hätte, da mir beide sehr sympathisch waren. Gerade bei diesen beiden Figuren freue ich mich darauf, in der Fortsetzung noch mehr zu erfahren.

Fazit:

»Guck mal, die Asis« von Wendy Nikolaizik ist ein authentisches, mitten aus dem Leben gegriffenes Buch, was Vorurteile abbaut und den Blick auf eine gesellschaftlich zumeist geächtete Randgruppe lenkt. Ich vergebe 5 von 5 ☆ und bedanke mich nochmal herzlichst für das Rezensionsexemplar!


Jace Moran / dunkelwelten / Alle Rechte vorbehalten
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